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Urnerzeitung 
Samstag, 17.Dezember 2016

Markus Zwyssig
markus.zwyssig@urnerzeitung.ch

Sonderausstellung im Haus für Kunst Uri

Relikte, Ephemer und WEG-ZEICHEN

Christof Hirtler zeigt mit seiner Arbeit „Relikte“ was verloren geht und uneinholbar in die Vergangenheit einsinkt. Mary Anne Imhof spürt in der Bildserie „Ephemer – von Karmin bis Purpur“ feinen Farbnuancen nach und präsentiert in Buch- und Kartenform, was sie während des Berlin-Atelier-Aufenthaltes erlebt hat.

Spurensuche in der Landschaft
Die Bilder von Christof Hirtler verweisen auf Relikte einer bäuerlich geprägten Kultur. Hunderte von Gebäuden, vor allem Aus­senställe, werden nicht mehr gebraucht, seitdem das Heu transportiert und in grossen Scheunen bei den Heimbetrieben gelagert wird. In Schattdorf, Altdorf oder Attinghausen stehen alte Holzhäuser wie seltsame Findlinge mitten in neu erstellten Wohngebieten. Einige sind bewohnt, andere dienen als Abstellräume, viele zerfallen und werden irgendeinmal abgerissen. Unter den Farbbildern erscheinen in der Projektion da und dort für einen kurzen Moment alte Schwarz-Weiss-Fotografien von Menschen in den Bergen. Sie erinnern an eine vergangene Welt, an die enge Lebensgemeinschaft von Menschen und Tieren, an Naturgefahren, an Not und Selbst­versorgung. Im selben Raum liegen verstreut Hainzi, Holzgestelle zum Trocknen des Heus. Diese Relikte erscheinen im Raum wie eigenartige Kreaturen, Tiere oder Fabelwesen.

In einer zweiten Projektion zeigt Christof Hirtler eine bäuerliche Welt, die bald nur noch Erinnerung sein könnte. Ein Beispiel: vor der Eröffnung des Seelisbergtunnels 1980 trieben die Urner Bauern über 600 Rinder von der Reussebene über den Sure­nen­pass auf die Alp Surenen. 2 Tage dauerte der Alpauftrieb, 1800 Höhenmeter waren zu überwinden. 2016 trieben 2 Bauern noch 17 Rinder über den Pass.

Eine Laus liefert der Künstlerin die Farben
In der Ausstellung im Vorraum zum Danioth-Pavillon zeigt Mary Anne Imhof Werke, die aus ihrer künstlerischen Forschungsarbeit „Ephemer – von Karmin bis Purpur“ entstanden sind. Dabei beschäftigt sie sich mit der Herstellung von Farben. Gewonnen werden diese aus der von der Künstlerin gesammelten Cochenille-Schildlaus von der kanarischen Insel La Gomera. Die monochrome künstlerische Arbeit zeigt die malerischen Ausdrucksmöglichkeiten und den geschaffenen Farbraum mit selbsthergestellten karminroten und purpurnen Farbpigmenten auf Leinen und in Kunstharz gegossen.

WEG-ZEICHEN
Die Urner Künstlerin Mary Anne Imhof hat während ihrem Aufenthalt im Berlin-Atelier die deutsche Kunststadt erwandert. Zu Beginn der 120 Tage in Berlin schnürte Imhof täglich ihre Schuhe, verliess das Haus in der Auguststrasse 83 und lief ohne Absicht los. Spätnachmittags oder abends kehrte sie wieder in ihre Atelierwohnung in Berlin Mitte zurück.

Am Abend rekonstruierte Mary Anne Imhof zeichnerisch ihre Wege auf Google Maps als Linien und fügte die Namen aller abgelaufen Strassen dazu. Auf den aufgezeichneten Wegen markierte sie mit einem Kreis den Ausgangs- und Zielpunkt: die Auguststrasse 83. Weiter zeichnete sie mit farbigen Kreisen unerwartete Begegnungen ein – mit Kunstschaffenden, mit Kunst-Räumen, welche für sie an besagtem Tag bedeutungsvoll waren.  Täglich ergab es eine neue Form – ein neues (Weg)-Zeichen entstand.

Im Berufsverband Bildender Künstler Berlin belegte sie einen Kurs in Adobe InDesign. Das hat sie zur Gestaltung der Zeichen und zu der Zusammenfassung in einem Buch angeregt. Nun sind die WEG-ZEICHEN auch als Kartensets zusammengestellt und können von Besuchern als signiertes und nummeriertes Multiple, in zwölffacher Ausführung, erworben werden.

Christof Hirtler und Mary Anne Imhof zeigen ihre Arbeiten im Rahmen der Jahresausstellung der Urner Kunst- und Kulturstiftung im Haus für Kunst Uri. Die Ausstellung ist jeweils am Donnerstag und Freitag von 14 bis 18 Uhr sowie am Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet.

Am Samstag, 24. und Sonntag, 25. Dezember ist das Haus geschlossen. Am Montag, 26. Dezember, am Samstag, 31. sowie am Sonntag, 1. Januar ist die Ausstellung jeweils von 11 bis 17 Uhr geöffnet.

Mary Anne Imhof hat für ihre Bilder selber gewonnenes Farbpigment verwendet.

Christof Hirtler hebt, was verloren geht, in Bildern und Erzähldokumenten auf.

Zentralschweizer-Atelier-Stipendium BERLIN

09.März 2015 – 26.Juni 2015
Kunst- und Kulturstiftung
Heinrich Danioth

Berlin für:
Pascal Murer
Mary Anne Imhof

Das Kuratorium der Kunst- und Kulturstiftung Heinrich Danioth hat entschieden: Mary Anne Imhof und Pascal Murer sind die Stipendiaten des Zentralschweizer Berlin-Ateliers.

Berlin für Pascal Murer und Mary Anne Imhof Die in Altdorf wohnhafte Mary Anne Imhof überzeugte die Jury mit ihrer hartnäckigen Auseinandersetzung mit monochromen Arbeiten.
Foto: Archiv UW

Die Kunst- und Kulturstiftung Heinrich Danioth hat entschieden. Der Hauptförderungspreis spricht das Kuratorium der Urner Kunst- und Kulturstiftung der bildenden Künstlerin Selina Baumann zu.
Förderungsbeiträge gehen an die beiden Musiker Maria Gehrig und Tobias Oderbolz, ferner an die Künstler Reto Scheiber und Livia Salome Gnos.

Mary Anne Imhof und Pascal Murer sind die Stipendiaten des Zentralschweizer Berlin-Ateliers.

Erst am späten Mittwochabend fiel der Entscheid des Kuratorium der Urner Kunst- und Kulturstiftung, nachdem dieses sich tagsüber intensiv mit den 31 Bewerbungsdossiers auseinandergesetzt hatte. Die überraschende Vielfalt künstlerischer Arbeiten ist nun bis zur Finissage am 5. Januar im Haus für Kunst zu sehen.

Mehr dazu in der Ausgabe vom Samstag, 7. Dezember 2013